Der Horsthof erzählt seine Geschichte

Von Burgmannen und Bauern:  Ein Hof erzählt Geschichte!

De Horsthof – Tiefenstrasse 12 – Werther NRW

Mittelalter bis heute: 1000 Jahre lang bestimmte der Besitz das Schicksal.

 

Der Horsthof, der letzte Bauernhof in der Ortsmitte, ist einer der vier Vollhöfe, die in den Jahren 600 bis 800 unter dem Schutz der Osnabrücker Herren am Schwarzbach entstanden. Seit 1620 ein Resthof im Besitz der Familie Horstmannshoff. Im 10. Jahrhundert wurde für die Ansiedlung die erste Kirche erbaut. 1050 in einer Urkunde der Name Wartera – Werther genannt.
Können wir nun die Beschichte des Hofes und seiner Bewohner bis in die früheste Zeit verfolgen?
Erst ab 1250 gab es in ganz wenigen großen Städten Familiennamen, bei uns erst ab 1450.

Die Urkunde des Grafen Bernhard von Ravensberg vom 25.6.1334 nennt diesen Hof wie seinen Besitzer Gut Brand. Dieser Name kommt von Hildebrand. Schon in einer Urkunde des Jahres 1282 gehört Hildebrandus de Wertere zu den Gründern der Stadt Bielefeld. Horsthof Werther 1936
Es ist anzunehmen, dieser Hof, im Schatten der Kirche, war ein Haupthof weil nach dem Besitzer Brand bis etwa um 1620 die Familie Crevet (Kreft) auf dem Horsthof seßhaft war. Diese Familie Crevet saß außer in Werther auf Höfen in: Glandorf, Wallenbrück, Schildesche und Oesterweg.
Laut dem Urba der Grafschaft Ravensberg vom Jahre 1556 war zu der Zeit Jürgen Crevet Besitzer.
Er war mit Weib und Kindern frei, Grundherr war von Hatzfeld im Haus Werther.

Die Crevet (Kreft) gehörten zur Schicht der Burgmannen – Ritter und Ministeralen, ein niederer Adel im Dienst der Grafen von Ravensberg, es waren Abkömmlinge der großen Bauernhöfe, freie oder auch unfreie weichende Erben, die als Entlohnung für die verschiedenen Dienste, Höfe in Erbpacht erhielten. So finden wir die Crevet in vielen ältesten Urkunden genannt:

  • 1278 Ritter Albero Crevet,
  • 1287 die Ritter Hermann und Werner Crevet als Zeugen in Enger und Schildesche,
  • 1322 Ritter Ludolf Crevet als Zeuge beim Kauf eines Zehnten zu Eilshausen für das Kloster Marienfeld,
  • 1324, die Herforder Äbtissin Liutgard übergibt Ravensberger Ministeralen Höfe im Kirchspiel Werther, 2 Höfe in Isingdorf, 7 Höfe in Rotingdorf, 2 Höfe im Ort Werther. Zu den Belehnten gehört auch der Ritter Werner Crevet.
  • 1338 treten die Ritter Gottschalk Crevet und Lippold von Kerssenbrock als Zeugen auf.

Im Laufe der Jahre war der Haupthof durch Absplisse kleiner geworden. Gegen 1700 trugen die Bewohner den Familiennamen Horstmannshoff. So, wie fast auf allen Höfen blieb dieser Name auch, wenn durch Einheiraten andere Namen erloschen.

Die umfangreichen Dokumente des Hofes und das erstaunlichwache Gedächtnis des jetzt 85 jährigen Altbauern Hermann Horstmannshoff, führen uns durch rund 200 Jahre der Geschichte der letzten im Ortskern lebenden Colon- und Bürgerfamilien, eine Geschichte mit aller Lust und aller Last. Wir beginnen mit der Zeit, in der nach den Wunden der Kriege die Zeit der “Aufklärung” begann.

Die im Jahre 1776 geborene Erbtochter Catharine Elisabeth Horstmannshoff heiratete 1798 Hermann Heinrich des Hofes Haselhorst, der den Namen “Horstmannshoff” annahm. Am 1.1.1800, genau zur Jahrhunderwende, wurde der spätere Anerbe, Friedrich Wilhelm geboren. Die Eltern verstarben sehr früh. Vormund wurde der Verwandte Colon Niehaus-Barmeyer.

Mit 19 Jahren übernahm der Erbe den Hof, er konnte nicht ahnen, daß eine 25jährige schwere Zeit auf ihn zukam. Am 22. September 1826 heiratete der 26jährige die 20 Jahre alte Marie Ilsabein, Tochter des Hofes Speckmann, Rotenhagen 8, die, man sieht es den noch heute im Hause befindlichen Möbeln an, ein gute Partie war. Aber schon nach 3 Jahren starb diese junge Frau nachdem am 8. August 1827 die Tochter Anne Marie Elisabeth geboren wurde. Ein Hof ohne Frau war nicht möglich. Der Witwer, nun 30 Jahre alt, führte am 28. März 1830 die 20 Jahre junge Anne Marie Ilsabein vom Hof Blotenberg, Jäger 94, heim. Am 1. November 1837, der Bauer war nun 37, kam mit der erst 18 Jahre alten Marie Ilsabein vom Hof Sussiek Schröttinghausen, die dritte Frau auf den Hof.

Aber nach kurzem Glück starb nun der Bauer Hermann Heinrich Horstmannshoff. Diese dritte Frau des Hofes heiratete am 16. September 1839 den Bauernsohn Hartwig Heinrich Wölke aus Rotenhagen, dieser trug fortan den Namen Horstmannshoff. Aus dieser Ehe gingen in den Jahren 1841 bis 1848 5 Kinder hervor, ein Kind starb.
Nun starb am 14. Dezember 1850 die Mutter der vier kleinen Kinder.
Der Witwer heiratete nun 1851 Marie Elisabeth vom Hof Dulle in Ascheloh. 5 Ehen innerhalb von 25 Jahren, die jetzt auf dem Hof Lebenden schon nicht mehr blutsverwandt, brachten dem Hof Sorgen und höchst komplizierte finanzielle Verhältnisse.

Können wir uns heute diese Zeit überhaupt vorstellen? Das karge Leben, Zusammenhalt der Familie und der Nachbarschaften, die Hilfe mit Darlehn seitens der Kaufleute, Banken gab es noch nicht. Nun, die Zeiten gerade in diesen 25 Jahren waren äußerst schlecht, aber einem Bauern ging es damals im Verhältnis zu den Nichtbesitzern noch goldig! Man lebte bescheiden und nach der Sitte.
Gehen wir einige Jahre zurück: Vor der Heirat mit seiner zweiten Frau, am 28. März 1830, mußte Friedrich Wilhelm Horstmannshoff das Erbe der Tochter aus erster Ehe mit der geborenen Speckmann sicherstellen. Es betrug, weil nur ein Kind da war, die Hälfte des ganzen Vermögens, und zwar 1050 Thaler, 23 Silbergroschen und 20 Pfennige. Eine für diese Zeit ganz enorme Summe. Die Erbin blieb in der Familie, bei ihrer Heirat, sie war natürlich im Ort eine große Partie, mit dem Metzgermeister Lindemann am 13. August 1851 wurde das Erbe ausgezahlt. In bar 228 Thaler, 15 Silbergroschen, 6 Pfennige und der große Rest gegen ein Hypothek von Heinrich Wilhelm Heyland, einem einflußreichen Bürger, mit 5 Prozent Zinsen geliehen.
Lindemann konnte nun die große Fleischwarenfabrik, heute Bereich von Louis Schäperkötter bauen.

Wenn auch mit den Heiraten Geld auf den Hof kam, es waren ja alle Hoftöchter, lagen auf dem Hof doch viele Lasten. So lieh der Rektor und Prediger Tzschabran 300 Thaler zu 4 Prozent Zinsen. Das Gehalt des Predigers war sehr dürftig, aber er hatte eine Partie gemacht, seine Gattin war eine Tochter des Hauses Wallbaum. Die Zinsen der Mitgift waren eine Beigabe zu dem sehr kinderreichen Haushalt des Predigers. Der Handelsmann Simon Goldstein leih 300 Thaler, der Kaufmann und Bankier Aron Bendix Weinberg 220 Thaler. Um Schulden zu tilgen wurde an den Bürger Depenbrock 1 Morgen 49 Ruthen Land verkauft.

Die Hochzeiten, Kindtaufen und die Leichenbegängnisse innerhalb der 25 Jahre mußte nach der Sitte standesgemäß begangen werden. Da war die Nachbarschaft und Verwandtschaft voll vertreten. Bei der Taufe der Anne Marie Elisabeth im August 1827 war auch die Nachbarin Frau Theodora Elisabeth Walbaum, eine geborene von und zur Hellen vom Schoß Werther anwesen. Sie war Patin einer zur gleichen Zeit geborenen Tochter Emma Cecilia Adeline ihres Bruders, dem Landrat Johann August Ferdinand Conrad von und zur Hellen und seiner Gattin Johanne Christine Arnoldine.
Vor seiner zweiten Ehe, die Hartwig Heinrich Wölke, jetzt Horstmannshoff, 1851 mit Marie Elisabeth Dulle schloß, aus dieser Ehe stammen die jetzigen Besitzer, mußte er zur Sicherung der Erbrechte der vier unmündigen Kinder aus der Vorehe, die auf dem Hofe blieben, ein vom Gericht verfügtes Inventarium erstellen lassen. Dieses geschah am 17. November 1852 durch die Taxoren Quest, Kipp und Rentsch. Auf zwölf langen Seiten sind nun alle Gebäude, Hofhaus, Leibzucht, 2 Kotten, alle Ländereien, alles Vieh, Möbel, Töpfe, Betten, Leinenzeug, 6 Spinnräder, 6 Forken, also jedes Stück bis zur Stecknadel, Korn, Saat, die Hausuhr, die Taschenuhr, das Gesangbuch, 2 Stühle in der Kirche, die Begräbnisstätte, der Brunnen, die Weidenbäume am Bach, aufgeführt. Die Gesamtsumme erbrachte 3168 Thaler, nach Abzug der Schulden verblieb ein Vermögen von 848 Thalern. Davon wurden den 4 Kindern 440 Thaler zugesprochen. Die Kinder blieben auf dem Hof, später erhielt jedes Kind 110 Thaler.

Familien-Horstmannshoff-1905-Werther

Der am 1. Januar 1856 geborene Johann Friedrich, der Hoferbe aus der Ehe mit der geborenen Dulle, heiratete am 4. April 1884 Anne Friederike Schierbaum genannt Bruelheide vom Hof Häger, 25.
Auch er mußte mehrere Geschwister abfinden und verkaufte deshalb die jetzigen Nachbargrundstücke Dr. Lücker und Hauhardt. Hier standen früher die Leibzucht und 2 Kotten.

Dieser Ehe entsprossen 3 Töchter und 3 Söhne, darunter der am 4. April 1900 geborene Hoferbe, der jetzige Altbauer Hermann Horstmannshoff.
Noch zu Lebzeiten seines Vaters wurden alle Lasten, die auf dem Hof lagen, getilgt. Wie genau 100 Jahre zuvor mußte Hermann mit 19 Jahren, nach dem Tod seiner Eltern, den Hof übernehmen. Er heiratete am 31. Mai 1929 Auguste Rose aus Suttorf. Tochter eines Pachthofes. Eine Tochter und 2 Söhne wurden geboren.
Der Sohn Theo, Bauer und Maurermeister, mit Frau, einem Sohn und 2 Töchtern führt heute das Erbe weiter.

Die neue Zeit brachte der jetzigen Generation zwar keine Sorgen, wie den Vorfahren in den Jahren 1825 bis 1850, aber durch die Lage des Hofes in der Stadmitte, kamen zwangsläufig Wünsche und Diktate seitens der Behörden, die einen westfälischen Bauern, der seinen Besitz mehrer und nicht mindern will in eine Kontrahaltung bringen.
Als die Firma Delius 1950 unbedingt und zwingend ein Stück Feld vom Besitz haben mußte, lehnte der Bauer einen Verkauf ab. Die Antwort der Behörde: wenn Sie nicht verkaufen, werden wir enteignen. Nun, die Firma schaltete sich direct ein, der Senior Daniel Delius erschien persönlich auf dem Hof. Die beiden kantigen Westfalen einigten sich schnell. Der Pachtvertrag läuft noch heute.

Horsthof Werther

De Horsthof von hinten in 2015

Schlimmer wurde es vor einigen Jahren, wie die neuen Straßenzüge im “Esch” und im Neubaugebiet “Schwarzbachtal” gebaut werden mußten. Äcker des Hofes wurde zerrissen und abgegeben. Hier wurde, wie Vater und Sohn sagen, doch harten und sehr verletzenden Ton, Porzellan zerschlagen. Hier sahen Vater und Sohn nur die Einsicht, mit geballten Fäusten nach den Wort “sei Untertan der Obrigkeit die Gewalt über dich hat” ein, nach ihrer Meinung großes Unrecht hinzunehmen.

Dieser Artikel erschien 1985 in einer deutschen Zeitung. Der Name der Zeitung ist mir unbekannt.
Urheberrecht Paul Lütgemeyer: Von Burgmannen und Bauern:  Ein Hof erzählt Geschichte!